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Berliner Mauerweg – Teil 2: Dallgow-Döberitz bis Lichtenrade

Tag 2 – Mauerwegtour

Startpunkt: Dallgow-Döberitz (B5)
Zielpunkt: Gästehaus Alpinia, Lichtenrade
Länge: 67 Km
Highlights: Flugplatz Gatow (Militärhistorisches Museum), Cecilienhof, Glienicker Brücke, Heilandskirche Sacrow, Kontrollpunkt Dreilinden, Teltowkanal

Berliner Mauerweg Glienicker Brücke Teltowkanal
Tag 2 der Tour über den Berliner Mauerweg

Nach einer geruhsamen Nacht und einem abwechslungsreichen Frühstück holten wir die Räder aus der gut (!) gesicherten Garage. Das 3-Tages-Gepäck war schnell verstaut, Wasserflaschen aufgefüllt, „High five“ und der zweite Tag konnte starten. Die geplante Strecke führte in weitem Bogen um das südliche Berlin herum, über die Agenten-Brücke in Glienicke und dann weiter am Teltow-Kanal bis nach Lichtenrade zurück, beinahe schon wieder städtisch.

Berliner Mauerweg Radtour 2020
Los geht’s
Berliner Mauerweg Radtour 2020
Naturschutzgebiet Döbritzer Heide

Doch nach 10 Minuten hielten wir, weil wir den Soldatenfriedhof der Roten Armee, den wir am vorherigen Tag gesehen hatten, besuchen wollten. In einem kleinen Wäldchen, unmittelbar an der Bundesstraße, liegt dieser Friedhof für über 600 im 2. Weltkrieg gefallene Soldaten und Offiziere der Roten Armee. Wie immer prangt ein roter Stern auf einer zentralen Gedenksäule und wacht über die Grabstellen. Ein Friedhof ist ein Friedhof, doch liegen hier die sterblichen Überreste der Befreier vom faschistischen Deutschland. Aus russischer Sicht Nationalhelden, die ihr Leben gelassen haben, um Hitler zu besiegen. Nach Abzug der russischen Armee 1992 aus Deutschland begann allerdings der Verfall dieser Grabstätte. 2014 wurde der Friedhof in einer gemeinsamen Aktion vom Brandenburgischen Innenministerium, der russischen Botschaft und der Gemeinde Dallgow glücklicherweise hergerichtet, so dass der spezielle Charakter einer Gedenkstätte wiederauflebte.

Sowjetischer Soldatenfriedhof Dallgow
Gräberfeld des sowjetischen Soldatenfriedhofs
Sowjetischer Soldatenfriedhof Dallgow
Kurze Rast unterm Roten Stern

Los geht’s mit der zweiten Etappe

Nach dem Rundgang begann nun unsere zweite Etappe und wir fuhren gemütlich auf brandenburgischem Gebiet durch die Döbritzer Heide, erst nach vielen Kilometern zurück auf den Mauerweg an der B2 zwischen Gatow und Gross Glienicke. Diese Strecke ist kein radfahrerisches Highlight, aber immerhin gibt es einen gut ausgebauten Radweg neben der vielbefahrenen Straße. Unser nächstes Zwischenziel hieß Flugplatz Gatow. Den konnte man schon von weitem durch den ausgedehnten Kiefernwald erkennen. Auf der riesigen Anlage des ehemaligen Flugplatzes befindet sich heute das „Militärhistorische Museum“ der Bundeswehr – dort sind überwiegend Flugzeuge und Luftabwehr-Einrichtungen ausgestellt. Als überzeugte Pazifisten haben wir mit großer Abscheu eine stundenlange Inspektion der vielen Ausstellungsstücke unternommen. Wer mit dem Rad fährt, ist immer im Vorteil, hier jedoch besonders, da das weitläufige Gelände radfahrend erkundet werden kann. Trotz der Corona-Einschränkungen konnten wir uns frei über das ausgedehnte Gelände bewegen – und die Sonne genießen; nur in den großen Hangars und Innenräumen war Maskenpflicht.

Flugplatz Gatow - Militärhistorisches Museum
Ehemaliger Flugplatz Gatow – heute Militärhistorisches Museum der Bundeswehr

Der Flugplatz Gatow war von 1935 bis 1995 sechzig Jahre in Betrieb. Als Teil des Übungsgebiets der Wehrmacht in der Döbritzer Heide wurde er später „kriegswichtig“. Im April 1945 besetzte die Rote Armee den Flugplatz und musste ihn nach der Jalta-Konferenz im Juli 1945 an die britische Luftwaffe abgeben. Der Flugbetrieb wurde nach Abzug der Alliierten aus Berlin im Jahre 1995 eingestellt. Auf Teilen des alten Flugplatzes wurde ab Mitte der 1990er Jahre die „Landstadt Gatow“ errichtet: ein modernes, urbanes Dorf mit hohem Flächenverbrauch für Ein- und Zweifamilienhäuser, allerdings weit vor der Phase, wo man das kritisch hinterfragte.

Flugplatz Gatow Rosinenbomber DC-47 Skytrain
„Rosinenbomber“ zum Einsatz bei der Luftbrücke 1948/49

Da wir so viel Zeit auf dem Flugplatz bzw. im Museum verbracht hatten, haben wir uns im weiteren Verlauf für die schnellere Route direkt nach Neu Fahrland entschieden – und damit Sacrow und seine berühmte Kirche umfahren. Die Kirche konnten wir später vom anderen Ufer der Havel bewundern. Von der nervigen B2 kann man rasch Richtung Jungfernsee abbiegen. Dort führt den Weg zum Cecilienhof und seinem schönen Park. Der Cecilienhof ist nicht nur ein Schloss im englischen Landhaus-Stil, sondern hat eine wichtige zeithistorische Bedeutung: Es ist das letzte Schloss, welches die Hohenzollern Anfang der 20. Jahrhundert gebaut hatten. Das Kronprinzenpaar Wilhelm und Cecilie wohnte bis zu ihrer Flucht im Frühjahr 1945 dort. Wenige Monate später fand im August 1945 die Potsdamer Konferenz der drei Siegermächte USA, England und Sowjetunion statt. Hier wurde die Nachkriegswelt in verschiedene Machtblöcke und Einflusssphären aufgeteilt. Leider hatte das Schlösschen wegen Corona geschlossen, aber das hinderte die vielen Spaziergänger nicht an Ausflügen im Park. An einem Sonntag – mit wunderbarem Spätsommerwetter – waren wir nicht alleine und zogen uns ob der vielen Fußgänger als Rad fahrende Zeitgenossen bösen Groll auf uns, weil wir nicht geschoben hatten, sondern vorsichtig um die Spaziergänger herumgekurvten. Imposant auf dem Weg zur Havel sind die ehemalige Kaiserliche Matrosenstation (heute ein Restaurant und Biergarten) und die Villa Schöningen (heute Ausstellungshaus mit baugeschichtlichem Hintergrund – zum Glück nicht zum Bau für ETW abgerissen).

berliner Mauerweg Radtour 2020 Schloss Cecilienhof
Schloss Cecilienhof
Berliner Mauerweg Radtour 2020 Schloss Cecilienhof
Narziss-Brunnen im Prinzenhof
Berliner Mauerweg Radtour 2020 Glienicker Brücke
Glienicker Brücke im Berliner Süden

Nur wenige Minuten entfernt verbindet die berühmte Glienicker Brücke die Berliner und Potsdamer Uferseite der Havel. Neben den Erinnerungen an reale und fiktive Agentenübergaben hat man von der Brücke einen großartigen Blick auf die Schlösser Babelsberg und Glienicke sowie die wunderschöne Kirche von Sacrow. Aufgrund des munteren Autoverkehrs war die Brücke leider kein idealer Ort zum längeren Verweilen. Nach den obligatorischen Fotos ging unsere Tour an Neubabelsberg vorbei bis zum Abzweig des Teltowkanals. Hat man den erstmal erreicht, kann man sich über eine lange Wegstrecke nicht verfahren. Der ca. 35 Km lange Teltowkanal verbindet im Süden von Berlin Havel und Spree. Der Kanal ist nach wie vor eine wichtige Verbindungsroute für die Lastenschifffahrt. Und gleichzeitig lädt er Wanderer und Radfahrer zu ausgedehnten Erkundungen ein, das gilt vor allem im südlichen Bereich bis Teltow. Danach hat man es mehr mit der intensiven Nutzung als Wasserstraße zu tun.

Berliner Mauerweg Radtour 2020 Kontrollpunkt Dreilinden
Alter Kontrollpunkt „Dreilinden“ / Brücke über den Teltowkanal
Berliner Mauerweg Radtour 2020 Kontrollpunkt Dreilinden
Alter Kontrollpunkt „Dreilinden“ – Teltowkanal-Brücke
Berliner Mauerweg Radtour 2020 TOBO Brücke Graffiti Art
Graffiti Art und Sprayer-Treffpunkt: TOBO Brücke

Kurz hinter der kleinen Siedlung „Albrechts Teerofen“, die bis ins Spätmittelalter zurückreicht, erreicht man den alten Grenz-Kontrollpunkt „Dreilinden“. Bis 1969/70 quälte sich der Transitverkehr zwischen Westberlin und Westdeutschland über diese Brücke am Teltowkanal. Heute ist es wegen der abgeschiedenen Lage und dieses etwas morbiden Charakters ein tolles Naherholungsgebiet im Berliner Süden. Auf dem Weg zur kleinen Gedenkstätte des Checkpoint Bravo kamen wir an der TOBO-Brücke vorbei – ein wahres Paradies für Graffiti-Künstler und Sprayer, total abgeschieden im Wald. Das ist wirklich ein friedliches Kleinod für Kreative. Die Gedenkstätte des alten Checkpoint war wegen Corona zwar ebenfalls geschlossen, daher mussten wir uns mit den Infotafeln auf dem Gelände zufriedengeben. Von der „Stahnsdorfer Damm“-Autobahnbrücke erhascht man einen guten Blick auf das ehemalige Panzerdenkmal der sowjetischen Armee. Dieses wurde nach dem Kriegsende 1945 errichtet und zeigt einen russischen IS-2 Panzer, der beim Sturm auf Berlin im Einsatz war. Mich hatte dieses martialische Denkmal viele Jahre jedes Mal bei der Ankunft in Westberlin begrüßt. Nach Abzug der Russen wurde der Panzer 1992 durch einen pinkfarbenen Schneeräumer ersetzt. Als ich dieses Kunstwerk von Eckhardt Haisch zum ersten Mal gesehen hatte, dachte ich zunächst an einen vorübergehenden Gag. Heute vermuten viele wegen der quietsch-pinken Farbe eine Aktion der Gay-Community dahinter.

Berliner Mauerweg Radtour 2020 Checkpoint Bravo
Checkpoint Bravo bei Dreilinden
Berliner Mauerweg Radtour 2020 Checkpoint Bravo
Informationstafeln beim Checkpoint Bravo

Anschließend haben wir wieder einmal ein Stückchen abgekürzt und sind über den Stahnsdorfer Damm direkt zur Schleuse Kleinmachnow gefahren und dann weiter am Kanal entlang. Kurz bevor man Lichterfelde erreichen würde, verlässt man den Kanal und der Mauerweg führt in einer weiten Linie südöstlich um Berlin herum. Ein kleines Highlight ist hier die Kirschblüten-Allee mit dem Japan-Eck. Im September war natürlich alles längst verblüht, aber dennoch ist es ein höchst entspanntes Radeln über den ehemaligen Grenzstreifen. Die Allee wurde durch eine Aktion eines japanischen TV-Senders ins Leben gerufen. Mit Spenden von über 1 Mio. Euro wurden nicht nur hier, sondern an mehreren Stellen am Mauerweg japanische Kirschbäume gepflanzt, die im Frühjahr während der Kirschblüte viele Schaulustige anziehen.

Berliner Mauerweg Radtour 2020 Berlin-Kleinmachnow
Wasser, Wasser: Letzte Rast vor der Unterkunft

Die Schlussetappe bis zum „Gästehaus Alpinia“ in Lichtenrade führte uns schließlich durch lichte Kiefern- und Birkenwäldchen – nichts Aufregendes, einfach gutes Radfahren, da auch immer weniger Sonntagsradler unterwegs waren. In Lichtenrade mussten wir vom Mauerweg runter und sind durch diesen beschaulichen Berliner Vorort über kleine Sträßchen zu unserem Hotel gefahren. Sonntagabend waren wir die einzigen Gäste und konnten – ganz modern – „kontaktlos“ einchecken. Auch das Alpinia gehört sicher zur Kategorie: „quadratisch, praktisch, gut“: für eine Nacht als Radunterkunft gut geeignet. Vermutlich ist das Hotel für Geschäftsreisende mit kleinerem Budget. Da kann man nur die Daumen drücken, dass es post-Corona überleben wird.

John le Carrée: Der tote Zentralfriedhof von Chicago

Sonntagabend in Berlin-Lichtenrade ist ähnlich aufregend wie der Abend auf dem Chicagoer Zentralfriedhof. Der Schriftsteller John le Carrée meinte 1968 in seinem Spionage-Thriller Eine kleine Stadt in Deutschland etwas anderes: „Bonn ist halb so groß wie der Zentralfriedhof von Chicago, aber doppelt so tot“, in gewisser Weise passt das auch zu Lichtenrade am Sonntagabend. Internet-sei-Dank, im Restaurant Reisel fanden wir erstens ein offenes Etablissement und zweitens auch eins mit lauschiger Gartenterrasse und einer ausgezeichneten Speisekarte für hungrige Radfahrer.

Zu Teil 3 geht es hier weiter.

Veröffentlicht in Allgemein

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