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Berliner Mauerweg – Teil 3: Lichtenrade bis Brandenburger Tor

Tag 3 – Mauerwegtour

Startpunkt: Lichtenrade
Zielpunkt: Friedenau
Länge: 59 Km
Highlights: Landschaftspark Rudow-Altglienicke, Plänterwald, Ehrenmal im Treptower Park, Molecule Man, Eastside Gallery, Brandenburger Tor

Berliner Mauerweg Brandenburger Tor Komoot
Teil 3 des Berliner Mauerwegs

Nun begann unser dritter und damit Finaltag der kleinen Berliner Radrunde. Unsere Unterkunft in Lichtenrade lag sehr praktisch am Mauerweg. Ist das wirklich Berlin, kann man sich fragen. Kleine Sträßchen, Einfamilienhäuser, große Gärten – es sieht wirklich dörflich aus und Lichtenrade ist historisch gesehen auch ein Dorf, wo man selbst heute noch die alte Struktur an der Dorfkirche und beim Dorfanger erkennen kann.

Nicht weit vom „Alpinia“ kamen wir auf der Zufahrt zum Mauerweg ganz zufällig und wie der Retter in der Not am „Fahrradladen Lichtenrade“ von Alex Trillof vorbei. Mein Sohn brauchte einen neuen Sattel, der einen bequemeren letzten Tag versprechen sollte und ich einen neuen Schlauch. Das lief alles kompetent und sehr freundlich – wer also radtechnische Hilfe auf der Mauerwegstour benötigt und/oder in Lichtenrade unterwegs ist, wird hier bestens geholfen.

Berliner Mauerweg Fahrradladen Lichtenrade
Fahrradladen Lichtenrade: Hier werden Sie freundlich geholfen 
Berliner mauerweg Fahrradladen Lichtenrade
Fahrradladen Lichtenrade: Ein neuer Sattel wirkt Wunder

In einem großen Bogen umrundet man nun Lichtenrade, fährt an Buckow und der Gropiusstadt vorbei, um wieder nach Süden abzubiegen. Am Horizont voraus flimmerte der neue BER in der grellen Sonne. An einem Montagmorgen war das ein besonders schönes Stück vom Mauerweg: wenig Menschen, ein vielversprechender Sonnentag und urbane Natur – am Übergang von Natur und Stadt.

Berliner Mauerweg Rudow
Irgendwo zwischen Stadt und Natur
Berliner Mauerweg Rudow
Hochhaussiedlung im Berliner Süden

Nach gar nicht so vielen Kilometern führte uns unsere erste Pause hinein nach Buckow – zu den einladenden Hochhaussiedlungen an der Ringslebenstraße: nicht wirklich erwähnenswert, außer dass mich die Vorstellung, dort zu wohnen, unruhig machen würde. Nach einer kurzen Rast im Schatten eines der Hochhäuser ging es auf den Mauerweg zurück. Bei der Gropiusstadt macht die Wegführung eine scharfe 90°-Kurve mit direktem Ziel auf Schönefeld zu. Auf dem Weg dorthin gibt es eine interessante Mischung aus Kleingärten, Hobby-Landwirtschaft, Rast- und Lagerplatz für Kamele eines kleinen Zirkus und Einfamilienhäusern. Nach Querung der vielbefahrenen Waltersdorfer Chaussee gelangten wir zum Landschaftspark Rudow-Altglienicke. Eine Baude (für Nicht-Berliner: das ist ein Kiosk, wa Keule?!) lud uns zu einer weiteren Rast ein, zumindest was die Software anging – zum Verzehren setzten wir uns einige hundert Meter weiter auf die serpentinenartige Treppe gegenüber der Wasserbüffel-Wiese. Diese Wasserbüffel sind seit 2014 als „Landschaftspfleger“ eingesetzt – und erfreuen auch die Menschen. Hinter uns verläuft die A113 – leise säuselnd in einer begrünten Tunnelröhre. Als interessante Hinterlassenschaft der Kalten Krieges erinnert unweit des Landschaftsparks eine Infotafel an den Spionagetunnel der West-Alliierten, der unter der Grenze weit in den östlichen Stadtteil vorgedrungen war. In den Jahren 1955/1956 wurden von der westlichen Seite aus über 400.000 Telefonate der sowjetischen Armee abgehört. Die Sache flog erst auf, als der britische Doppelagent George Blake die Russen über dieses Projekt informierte.

Berliner Mauerweg Kamele
Auch Kamele leben im Süden von Berlin
Berliner Mauerweg Landwirtschaft im Süden
Hochlandrinder bei Rudow
Berliner mauerweg bei Rudow
Pinkelpause am Mauerweg
Berliner Mauerweg Landschaftspark Rudow Wasserbüffel
Wasserbüffel im Landschaftspark Rudow
Berliner Mauerweg Landschaftspark Rudow
Rast am Landschaftspark Rudow

Danach macht es einem der Mauerweg sehr einfach: man folgt einfach dem Streckenverlauf der A113 bis zum Teltowkanal in Adlershof. Anschließend geht es etliche Kilometer parallel zum Kanal – rechts die Autobahn, links Gewerbe und Industrie auf der anderen Kanalseite. Am Britzer Verbindungskanal führt der Mauerweg nach Osten, um an einer berührenden Gedenkstätte vorbeizukommen: der zwanzigjährige Chris Gueffroy wurde hier beim „unerlaubten Grenzübertritt“ durch DDR-Grenzer erschossen. Er war der letzte „Mauertote“ und deshalb gebührt ihm diese besondere Erinnerung-Stätte.

Berliner Mauerweg Chris Gueffroy
Erinnerung an Chris Gueffroy – der letzte Mauertote (8.3.1989)

Jetzt ging es die kommenden Kilometer durch Wohngebiet, bis wir an der Neuen Krugallee den Plänterwald erreichten. Diese grüne Lunge gab dem Kulturpark Plänterwald seinen Namen – ein Vergnügungseldorado entlang der Spree in DDR-Zeiten. Nach der erfolglosen Umbenennung in Spreepark und dem wirtschaftlichen Ruin Anfang der 00er Jahre gibt es immer wieder Zukunftskonzepte, die meisten warten noch auf Finanzierung und Umsetzung. Unweit vom Plänterwald erwartete uns das Sowjetisches Ehrenmal in Treptow – das muss jeder einmal gesehen haben! Das Denkmal und die gesamte Anlage wurden von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland errichtet. Das 1949 fertiggestellte Ehrenmal soll an die gefallenen Soldaten der Roten Armee während des 2. Weltkriegs erinnern; mehr als 7.000 tote Soldaten sind hier bestattet. Bei der Erkundung der gewaltigen Anlage fühlt man sich als Betrachter schnell „erschlagen“. Das passt zur ursprünglichen Intention des Ehrenmals, denn es sollte Zeuge der Größe und der unüberwindlichen Kraft der Sowjetmacht darstellen. Das gelingt wahrlich. Eine breite Allee, gesäumt mit 16 Sarkophagen, führt zum Mittelpunkt der Anlage. Auf einem Hügel erhebt sich ein Pavillon mit der Statue eines Rotarmisten, der ein gerettetes Kind auf dem linken Arm hält, in seiner rechten Hand hält er ein Schwert, mit das faschistische Hakenkreuz zertrümmert wurde. Ich finde das nach wie vor sehr beeindruckend, trotz aller Monumentalität und des überhöhenden Kunststils des sozialistischen Realismus. Nach dieser geschichtlichen Lektion hatte uns die Stadt nach 2 Tagen wieder voll im Griff.

Berliner Mauerweg Kulturpark Plänterwald
Riesenrad im alten Kulturpark an der Spree
Berliner Mauerweg Sowjetische Ehrenmal Treptower Park
Sowjetisches Ehrenmal Treptower Park

Wir fuhren über die Elsenbrücke, von der man einen grandiosen Blick auf den Molecule Man und die Oberbaumbrücke hat. Alles ist im Fluß und vor allem wird überall gebaut, repariert, erweitert, was-auch-immer. Das Radfahren entlang der B 96a (oder Stralauer Allee/Mühlenstraße) ist sehr nervig, da helfen die kreativen Bilder der Eastside Gallery (ehemalige Grenzstück und Mauerrest) ein wenig, denn hier gibt es immer etwas Neues zu entdecken. Die Querung der Stralauer Allee (an der Kreuzung Oberbaumbrücke) ist ein urbanes Wagnis. Eigentlich müssten dort Opferstöcke / Tempelchen aller wichtigen Weltreligionen stehen, denn die Fußgänger sollten nach geglücktem Überschreiten der Fahrbahnen dort Opfergaben ablegen. Wir hätten es getan!

Berliner Mauerweg Eastside gallery
Eastside Gallery – Mühlenstraße
Berliner Mauerweg Molecule Man Allianz Towers
Molecule Man und Allianz Towers
Berliner Mauerweg Eastside Gallery
Eastside Gallery – Mühlenstraße
Berliner Mauerweg Fischerinsel
Letzte Rast auf der Fischerinsel

Am Ostbahnhof geht es dann wieder Richtung Westen, die Spree wird erneut überquert und wenig später gelangten wir zu einem städtischen Ruhepol, dem Engelbecken. Diese Ruhe dauerte nur kurz, denn unser Weg lief beinahe planlos durch Kreuzberg, dann zurück über die Fischerinsel bis zum Schlossplatz. Wer jetzt sagt, die Straße „Unter den Linden“ muss man auch gesehen haben, hat entweder ein dickes Fell oder möchte seine Mitmenschen in den Wahnsinn treiben. Bis das Flanieren auf diesem Prachtboulevard ein echtes Vergnügen wird, vergehen sicher noch etliche Jahre im Bau-Chaos, Straßenlärm und Massen von Menschen/Fußgängern/Radfahrern plus Autos/Busse/LKWs, die sich den viel zu kleinem Raum teilen müssen.

Berliner Mauerweg Stadtschloss
Berliner Schloss – alles nur Fassade 
Berliner Mauerweg Brandenburger Tor
Brandenburger Tor

Puh, das Ende war nahe – der Pariser Platz wird vom Brandenburger Tor begrenzt und damit hatten wir unsere Mauertour glücklich beendet. Nach dem obligatorischen Selfie mit dem Brandenburger Tor im Rücken sind wir gemütlich durch den Tiergarten und die kleineren Nebenstraßen in Schöneberg zurück nach Friedenau geradelt. Am Breslauer Platz gab es dann noch ein fettes Abschluss-Eis, gute Stimmung  und glückliche Gesichter über diese schönen Tage rund um Berlin.

Was ist das Fazit? 160 Km im Kreis fahren kann sehr spannend sein und viele neue Eindrücke vermitteln. Der Mauerweg ist aufgrund seiner speziellen Struktur an der Grenze zwischen Stadt und Land kein „Grünes Band 2.0“, sondern ein Stück urbaner Natur. Er führt nicht mehr durch das „Niemandsland“ zwischen Ost und West, sondern die Stadt hat sich an vielen Stellen den Grenzstreifen längst für eine Bebauung oder sonstige Nutzung (zurück)erobert. Das ist der wesentliche Unterschied zum „Grünen Band“, welches vielfach sowohl durch unberührte oder renaturierte Natur führt. Die Nähe zur Stadt macht sich an vielen Stellen bemerkbar, auch positiv, weil eine deutlich bessere Infrastruktur vorhanden ist. Auf der anderen Seite gibt es das intensive Naturfeeling, wenn man zB durch den Thüringer Wald fährt, nur an ganz, ganz wenigen Stellen im Berliner Süden.

Wer eine gemütliche 3-Tagestour (ggf. auch in zwei Tagen machbar) mit vielen zeitgeschichtlichen Points of Interest fahren möchte, wird den Mauerweg richtig gut finden. Man kann den Mauerweg ambitioniert in zwei Tagen erledigen (ohne großes Sightseeing), unsere drei Tages-Tour war ein Kompromiss zwischen Sightseeing und Radfahren. Mit vier oder gar fünf Tagen könnte man bei den Points of Interest noch mehr entdecken – oder sich das für gezielte Besichtigungstouren aufheben.

berliner Mauerweg Teltowkanal
Mauerweg: Irgendwo im Berliner Süden
Berliner mauerweg Teltowkanal
Wasseridylle am Teltowkanal
berliner Mauerweg Babelsberg Mauerrest
Mauerrest in Babelsberg

Rad-Anfänger:innen und Familien kommen auch auf ihre Kosten, denn es gibt keine Herausforderungen, die größeres Radfahr-Knowhow erfordern würden. Im Sommer sind Pausen am Wasser zum Baden und Plantschen sehr willkommen. Allerdings gibt es viele Stimmen, die vor Touren – vor allem am Wochenende – in den Sommermonaten warnen. Der Grund: Überfüllung der teilweise sehr engen Wegführung. Also bitte Rücksicht nehmen und keine Ellenbogen ausfahren, nach dem Motto: Hoppla, hier komme ich!

Hals- und Beinbruch für die „Nachmacher“!

Veröffentlicht in Allgemein

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