Highlights auf der Strecke
- Gartenreich Dessau-Wörlitz
- Ferropolis: Die Stadt aus Eisen
- Lutherstadt Wittenberg
Übernachtung: Johanniterhaus (2: moderne Zimmer, frisch renoviert, sichere Abstellmöglichkeit fürs Rad, umfangreiches Frühstück, günstig und freundliche Mitarbeiter:innen)
Wie angekündigt gibt es für die heutige Etappe eine Mini-Zusammenfassung, da ich mit meinem Sohn die letzten Kilometer bis Berlin gemeinsam radele.
Die Fahrt aus Dessau zurück auf den offiziellen Radweg durch die großzügigen Parkanlagen ist wirklich zauberhaft, um diesen kitschigen Begriff ein einziges Mal zu verwenden. Schattige Plätzchen wechselten sich mit sonnigen Lichtungen ab, hier eine Statue, dort ein Tempel – das macht Lust auf größere Entdeckungsreisen. In jedem Fall ist es gut, dass Dessau den über Jahrhunderte gewachsenen Park nicht aus einer Laune heraus einer schlechten Stadtentwicklung geopfert hat. Allerdings gab es während der DDR-Zeit nur Geld für die allernötigsten Instandsetzungsarbeiten. Wenn man Bilder aus den 1990er Jahren anschaut, zeigt sich der große Unterschied zur heutigen Situation: es ist viel Geld geflossen und Aufwand betrieben worden, um die Gebäudeensemble des Gartenreichs wieder richtig in Szene zu setzen. Was die DDR nicht geschafft hatte, leistete dann später die Natur, vor allem durch das Hochwasser im Jahre 2002. Etliche der bereits sanierten oder restaurierten Gebäude wurden durch das „Jahrhunderthochwasser“ an Elbe und Mulde im Sommer 2002 erneut zerstört und mussten in den folgenden Jahren wieder hergerichtet werden.
Hinter Dessau geht es weiter durch die Elbauen, durch Mischwald, entlang an naturwüchsigen Überflutungspoldern. Besonders schön und einsam ist der Sieglitzer Park mit dem alten Badehaus, in das sich der Fürst zur Linderung seiner Rheumabeschwerden gerne zurückgezogen hatte. Nach etlichen Kilometern hört man zum ersten Mal wieder Autolärm, der nach der vormittäglichen Ruhe am Trommelfell zerrt. Der Radweg unterfährt die A9, kurz vor der Elbe-Brücke. Von weitem ist der Pegelturm erkennbar, an dem die Mutter aller DDR-Werbeclaims „Plaste und Elaste aus Schkopau“ unübersehbar prangte. Den Pegelturm gibt es noch, den Werbespruch leider nicht mehr.
Hinter der A9 lag auch die Braunkohle-Schleuder Vockerode, ein fossiles Kraftwerk, das Mitte der 1930er Jahre errichtet wurde, nach dem Krieg und Demontage in den 1950er Jahren wieder in Betrieb ging. Die Stadt Desssau wurde mit Fernwärme versorgt, ebenso große Gewächshäuser zum Anbau von Gurken und Tomaten. 1994 endete der Betrieb, die vier imposanten Schornsteine wurden gesprengt.
Kurze Zeit erscheint das Städtchen Wörlitz mit seinen weitläufigen Parkanlagen – das UNESCO-Weltkulturerbe hatte seinen Ausgangspunkt durch den „fortschrittlichen“ Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau. Im Sinne der Aufklärung wollte er keinen Barockgarten vor seiner Haustür, sondern hatte sich durch englische Gartenarchitektur, die eine Kombination von naturbelassen Elementen und durch Menschenhand geschaffenen Veränderungen darstellt, inspirieren lassen. Auch hier wartet die ausführliche Besichtigung in der kommenden Woche, wenn ich die Radtour in einer gemeinsamen Woche mit meiner Frau ausklingen lasse.
Der Weg führt nun von der Elbe weg, erneut durch riesige Kiefernwälder, die zu DDR-Zeiten zur Gewinnung von Harz genutzt wurden. Auf dem Weg nach Berlin über die Transitautobahn fuhr man immer wieder durch diese endlosen Kiefernwälder, bei denen die Bäume im unteren Bereich ein großes V trugen und darunter eine Blechdose hing, um das austretende Harz aufzufangen. Das Harz wurde u.a. in der Chemieproduktion verwendet.
Als nächstes Ziel stand Ferropolis, die Stadt aus Eisen, auf meinem Tourplan. Die ehemaligen Förderanlagen für den Braunkohletagebau sind seit über zwei Jahrzehnten Schauplatz für Konzerte und Festivals wie Melt und Splash. Der Clou an der Anlage ist, dass man einige der alten Bagger bis in luftige Höhe erklimmen kann und von da aus einen großartigen Rundumblick hat.
Der Blick vom Medusa-Bagger aus 50 Meter Höhe ist umwerfend. Und auch ohne Festival trieben sich etliche Besucher herum, da das gesamte Gelände als Freilichtmuseum für Industriekultur besichtigt werden kann.
Damit war der letzte Teil der heutigen Etappe Richtung Wittenberg angebrochen – sehr langweilig, weil weite Strecken neben der ICE-Linie oder der Bundesstraße.
Da hier das Land platt ist und sich die Sicht bis zum Horizont erstreckt, konnte ich die beiden auffälligen Kirchtürme der Stadt- und der Schlosskirche schon lange vor Wittenberg entdecken. Die ungewöhnliche Schlosskirche hat einen Wehrcharakter, der Ursprung lag in einer Burg- und Schlossanlage. Die Stadtkirche ist die Luther-Kirche, an der auch das heftig diskutierte, heftig kritisierte Relief mit der „Judensau“ in acht, neun Metern Höhe angebracht ist.
Der Spaziergang durch die Stadt kann einen an vielen alten Gebäuden wie den Wohnhäusern von Luther oder Melanchton vorbeiführen – alles sehr hübsch zum Luther-Jubiläum in 2017 herausgeputzt. In Wittenberg hatte ich mich mit meinem Sohn verabredet, um die letzten Etappen gemeinsam nach Berlin zu fahren.
Hier geht es mit der dreizehnten Etappe weiter.
Kommentare