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Radweg Deutsche Einheit – Etappe 2: Nassau (Lahn) bis Löhnberg

60 Km – 🡭 350 m – 🡮 300 m

Highlights auf der Strecke

  • Dom zu Limburg
  • Haus der sieben Laster in Limburg
  • Radstätte Limburg
  • Eisdiele in Runkel (Montags leider zu)
  • Marmor-Museum Villmar (Unica Steinbruch)
  • Schiffstunnel Weilburg
  • Radstätte Weilburg

Übernachtung: Landgasthof Bei Kleins, Löhnberg (2:  Zimmer und Bad sehr groß, alles proper, Frühstück okay)

Du alter Nassauer…

Was bedeutet nun „nassauern“? Ist ja nicht unbedingt ein Kompliment für jemanden, wenn er „Nassauer“ genannt wird. Die Herzöge von Nassau hatten im 19. Jahrhundert keine eigene Universität, aber waren modern und schlossen einen Vertrag mit dem Königreich Hannover ab, damit die nassauischen Studenten in Göttingen studieren konnten. In dem Stipendiumspaket war auch kostenlose Verpflegung bei einer „Vertragsgaststätte“ eingeschlossen. Verzichtete ein eigentlich berechtigter Student auf das Essen, gab es wohl andere, die sich als Nassauer ausgaben, um kostenlos essen zu können. Ob die Geschichte wirklich stimmt – Fragezeichen. Sie erzählt sich jedoch seit zwei Jahrhunderten sehr gut.

Eine Zugfahrt, die ist lustig

Um es gleich vorweg zu sagen: ich habe mein 9-Euro-Ticket für den August genutzt, um von Nassau bis nach Diez zu fahren. Einmal gibt es eine giftige Steigung bei Balduinstein, zum anderen hatte ich so mehr Zeit für Abstecher und Besichtigungen. Eine Zugfahrt mit einem Fahrrad kann immer lustig sein, vor allem in touristischer Umgebung. In Nassau gesellte sich ein fahrradfahrendes Pärchen zu mir, nette Radler aus der Eifel. Wir warteten gespannt auf den kurzen Triebwagen und siehe da: im Fahrradabteil waren auch schon etliche Menschen mit Rädern. Aber wir kamen noch hinein. Zwei Stationen weiter stiegen noch drei Leute mit Bike in den Zug, jetzt ging nichts mehr.

Eine lustige Zugfahrt im Fahrradabteil

Freundlich wie die Bahnmitarbeiter sind, wurde eine Verspätung angekündigt, weil die Radler so umständlich beim Ein- und Ausladen wären. Allerdings muss gesagt werden, dass die Bahn bereits in Nassau 15 Minuten später kam – alles wegen der Radler?

Eine Station vor Diez liegt das beschauliche Städtchen Fachingen, die Heimat des ikonischen „Stillen Wassers“, welches Generationen prostata- und blasengeplagter Menschen getrunken haben. Anscheinend möchte selbst diese Klientel etwas Neues, denn inzwischen gibt es neben der ganz stillen Version sogar ein mutiges „Medium-Wasser“. Seit 1742 wird aus der Quelle an der Lahn das „Staatl. Fachinger Wasser“ abgefüllt und als begleitende Behandlung bei Magen- und Darmproblemen angewendet.

Angekommen in Diez quälte ich mich am Bahnsteig mit dem schweren Rad erst die Stufen runter in die Unterführung und anschließend wieder hoch auf die Straße. Dann konnte ich die ganze Pracht des Bahnhofsgebäudes betrachten – als lost place gäbe es eine ideale Kulisse ab.

Lost Place: Bahnhofsgebäude in Diez

Auf dem Weg zur Lahn bin ich dann allerdings durch ein kleines, hübsches Städtchen gefahren, sehr idyllisch. Nach kurzer Zeit gelangt man in die Lahnauen und kann über den Sinn des Lebens nachdenkend gemütlich losfahren.

Das Haus der sieben Laster

Das nächste Ziel hieß Limburg, was ich bislang ausschließlich aus der Perspektive der A3-Autobahnbrücke kannte. Ich habe wirklich etwas verpasst, denn die Innenstadt besteht aus zahlreichen, sehr gut erhaltenen Fachwerkhäusern. Eines hatte es mir besonders angetan, das Haus der sieben Laster.

Das Haus der sieben Laster
Geschnitzte Fratzen zeigen die biblischen Laster

Es wurde im 16. Jahrhundert gebaut, wobei die Fassade mit sieben Köpfen verziert ist, die für die biblischen Laster stehen: Hochmut, Neid, Unmäßigkeit, Geiz, Wollust, Zorn und Trägheit. Vermutlich hatte der damalige Eigentümer die Schnitzereien zur Abwehr böser Geister anfertigen lassen. Für mich war nichts dabei, ganz einfach deshalb, weil ich ein durch und durch guter Mensch bin.

Der gestoplerte Bischof Tabertz-van Elst

Der Dom von Limburg prägt sehr stark das Erscheinungsbild der Stadt – er thront erhaben und wacht über seine Schäfchen. In schlechter Erinnerung blieb der Skandal um den ehemaligen Bischof Tebartz-van Elst, der wegen seines üppigen Lebensstil in die öffentliche Kritik geraten war. Er wurde 2014 von seinem Amt als Bischof entbunden und arbeitet nun als „Senior Manager“ im Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung. Ihm hätte ein Blick auf das Laster-Haus manch Ärger und vor allem der Kirche auch ganz allgemein einen Ansehensverlust erspart.

Der Limburger Dom wacht über seinen Schäfchen

Weiter ging es an wunderschönen Abschnitten einer stillen Lahn, unterbrochen von vielen alten Brücken (für die Eisenbahn) und den handbetriebenen Schleusen, vor allem für die Wassersportler. Man muss dieses Jahr sehr lange warten, weil durch den niedrigen Wasserstand die Schleusenkammern mehr Zeit zum Anstauen bzw. Ablassen des Wassers benötigen. Ein immer wieder schönes Schauspiel, ganz besonders bei Leuten, die das erste Mal im Leben eine Schleuse bedienen müssen.

Bei Villmar gibt es ein interessantes Marmor-Museum, jedoch lundi fermé. Hinter dem Museum befindet sich im Wald noch der ehemalige Unica Marmorsteinbruch.

Beeindruckende Einschlüsse aus der Devon-Zeit (-290 Mio. Jahre)
Ehemaliger Marmor-steinbruch Unica in Villmar

Dort kann man zwei 15 Meter breite, gesägte Wände, die ungefähr 6 Meter hoch sind, anschauen: glatt polierter Marmor mit vielen Spuren aus seiner Entstehungsgeschichte im Devon (das sind knappe 380 Millionen Jahre zurück), wo das heutige Europa aus einem großen Meer bestand. Villmars Marmor findet sich überall auf der Welt, so zB im Empire State Building in New York, in der Eremitage von St. Petersburg, im Kreml und in zahlreichen Kirchen in Europa. Eine spannende Entdeckungsreise in die Frühgeschichte konnte ich alleine für mich genießen, denn es hatte sich sonst keiner dorthin verirrt.

Ein gemütliches Flüsschen
Schafe tot? Nein, nur total hinüber von der Hitze

Weilburg und der schiffbare Tunnel unter dem Schloss

Kurz vor Weilburg trifft man auf einen der wenigen noch befahrenen Wassertunnel – ein großer Fun für Paddler und Kanuten. Es ist schon arg duster in dem Tunnel; spannend wird es dann, weil kurz hinter dem Tunnelausgang zwei Schleusen warten.

Schifffahrtstunnel in Weilburg
Radstätte Weilburg

Neben Limburg gibt es auch in Weilburg eine Radstätte. In Weilburg findet ihr sie direkt am Oberlahnbad/Radweg; sie ist super ausgebaut und wirft Schatten an hochsommerlichen Sonnentagen und bietet Strom für den Akkus und kostenloses WiFi fürs Smartphone – für eine Rast zu empfehlen.

Bis Löhnberg gibt es noch weitere kleine Örtchen, die „ganz nett“ sind, die ich jedoch so schnell vergessen werde, wie ich an ihnen vorbeigefahren bin. Löhnberg zeichnet sich durch eine altes Wasserkraftwerk aus – leider stillgelegt, auch das hat diese besondere lost place Atmosphäre aus. Oben im Städtchen wacht die alte Laneburg übers Lahntal – eine seltsam saniertes Burgensemble, ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert. Weder Brände noch der 30-jährige Krieg haben ihr den Rest gegeben: eine Fliegerbombe zerstörte einen Großteil der Burg im Feb 1945.

Schlechte Nachrichten – wirklich?

Auf der Strecke gab es nur zwei schlechte Nachrichten: die beste Eisdiele nördlich der Beteigeuze liegt in Runkel an der Hauptstraße und hat montags leider zu – ojemine. Das war wirklich ein herber Tiefschlag, denn ich hatte mich seit Jahren gefreut, bei Mancuso wieder einmal einzukehren.

Die zweite unangenehme Tatsache: Zwar schlängelt sich der Radweg gemütlich an der Lahn entlang, jedoch ist der Belag hier durch hochgedrückte Baumwurzeln auf vielen Abschnitten sehr, sehr unangenehm. Das Haftpulver für die Dritten und der Kleber fürs Toupet sollten wirklich sitzen.

Leider montags geschlossen…

Hier geht es mit der dritten Etappe weiter.

Veröffentlicht in Allgemein

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