Die Grüne Band – Wohnwagen-Tour / Frühsommer 2020
Das Wetter – vor allem das schlechte Wetter – sollte unser treuer Begleiter bis an die Mecklenburgische Seenplatte werden. Nach den beiden gemütlichen Übernachtungen auf dem Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn sind wir Richtung Norden aufgebrochen, zunächst ein schönes Stück entlang der Werra. Kurz vor dem Ziel haben wir den Fluss links liegengelassen, um einem kräuseligem Sträßchen nach Thalwenden zu folgen. Der Ort ist nicht wirklich erwähnenswert, außer dass es dort einen kleinen Campingplatz gibt: ein Ort im Nirgendwo. Da passten der Dauerregen und die Tatsache, dass der CP-Betreiber kurzfristig wegen Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert worden war.
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Campingplatz Bergwiese, Thalwenden (Thüringen)
Wir stellten aufs Neue glückselig fest, dass ein fester Wohnwagen gegenüber einem Zeltwohnwagen (das war unser vorheriges Modell) große Vorteile hat. Wir wurden beim Aufbau zwar richtig nass, aber anschließend machte uns die gute Truma-Gasheizung den Troll schnell warm.



Thalwenden war für uns der Ausgangpunkt für einige Ausflüge in der näheren und weiteren Umgebung: das Museum im ehemaligen Grenzdurchgangslager Friedland, das Grenzmuseum in Teistungen, die Burgruine Hanstein, ein Stück „echtes Grünes Band“ bei Volkerode, das Gut Herbigshagen der Sielmann-Stiftung und der Bärenpark in Worbis.
Das Museum in Friedland hatte mich im Jahr zuvor schon fasziniert, da es eine sehr gute Ausstellung über die Geschichte des Grenzdurchgangslagers sowie zu den aktuellen Bezügen von Flucht und Migration zeigt. Wirklich sehenswert und sehr eindrucksvoll! Das Museum ist im Bahnhof von Friedland untergebracht und liegt an der Zufahrtsstraße zum noch existierenden Lager. Für die Ausstellung benötigt man gut 2 Stunden, vor allem wenn man die Erklärungen zu den Exponaten ausführlicher studieren möchte.

Grenzmuseum Teistungen
Das Grenzmuseum in Teistungen zeigt eine sehr gut gemachte Ausstellung über das Grenzregime an der ehemaligen „Zonengrenze“ und setzt interessante Akzente zum aktuellen, politischen Hintergrund. Auch das hatte ich 2019 besucht und war sehr begeistert. Im Gegensatz zu einigen „gut gemeinten“ Museen entlang der Grenze hat hier die Ausstellungsleitung exzellente Arbeit geleistet. Es werden zwar auch die technischen Details der Grenz- und Sicherungsanlagen präsentiert, aber das dramatische Zusammentreffen von Ost und West in diesem unbedeutenden Örtchen wird in einen sehr klugen Kontext der Weltgeschichte gestellt. Leider konnte ich meiner Frau nur davon berichten, da es wegen der Coronabeschränkungen nicht offen hatte.
Burg Hanstein
Die Burgruine Hanstein ist alleine schon einen längeren Ausflug wert, da sie recht gut erhalten ist. Selbst die jüngere Geschichte rund um die Burg ist spannend, weil die Gegend kurz nach dem Kriegsende erst zum amerikanischen Sektor gehörte, dann durch das Wanfrieder Abkommen im September 1945 in die russische Besatzungszone transferiert wurde. Auch hat die Familie Hanstein vom Antikommunisten und Rennfahrer bis zu Spionen alle möglichen Berufsgruppenvertreter hervorgebracht. Die Ruine konnte während der DDR-Zeit aufgrund der Nähe zur Grenze nicht von der Öffentlichkeit besucht bzw. besichtigt werden. Im Bergfried war sogar zu Beginn der 1960er Jahre ein Beobachtungsposten des NVA-Truppen untergebracht. Angeblich wurden von den SED-Oberen auch gerne Feste oder Jagdfeiern auf der Burg veranstaltet. Zu Beginn der 00er Jahre diente das Burggemäuer als Kulisse bei einigen Szenen für den Film „Der Medicus“.
Die Burg wird seit Mitte der 1980er nach und nach restauriert. Der Blick in die Umgebung und aufs Werratal ist fantastisch. Schweißtreibend sind in jedem Fall die Anzahl der Stufen zum Turm hinauf 😉



Das Grüne Band par excellence
Das Grüne Band ist nicht nur ein „Projekt“, welches auf Hochglanzbroschüren prangt und für Schulklassen als aktiver Naturschutz propagiert wird. Man findet das „typische“ Grüne Band tatsächlich hier und da noch – am ehesten, wenn man die Strecke zu Fuß oder per Rad erkundet. Nicht weit von Thalwenden liegt das kleine Örtchen Volkerode. Von dort aus gelangt man zu einem schönen und vor allem typischen Abschnitt des Grünen Bandes. Diese Gegend wurde auch wegen der berühmten „Agentenröhre“ (von denen es im Übrigen wohl mehrere gab) bekannt: es war ein Betonrohr, welches im Unterholz und praktisch unsichtbar unterirdisch von der HVA beim „Ministerium für Staatssicherheit“ verlegt worden war, um DDR-Agenten unbemerkt in den Westen zu schleusen.
Nach einem steilen Aufstieg von Volkerode aus erreicht der Wanderer eine Hochebene, auf der die ehemalige Grenze weithin sichtbar als „Grünes Band“ verläuft. Von Horizont zu Horizont zieht sich eine breite Schneise mit Magerwiesen, lichtem Gestrüpp und einigen Relikten der Grenzanlage. Wenn man den richtigen Abzweig findet, kann man einem Stichpfad zu einer natürlichen Aussichtskanzel folgen. Von dort aus hat man einen großartigen Blick auf das Werratal und Bad Sooden. Alles in allem: der kernige Aufstieg von fast 100 Höhenmetern auf kurzem Stück ist sehr lohnenswert!







Alternativer Bärenpark Worbis
Der Besuch des Bärenparks in Worbis stellt ein schönes Kontrastprogramm zum historischen Ausgangspunkt unserer Urlaubsreise dar. Ein Bärenrefugium am nord-östlichen Rande des Eichsfelds ist etwas Ausgefallenes. Es gibt neben dem Bärenpark in Worbis eine vergleichbare Einrichtung im Schwarzwald. Beide verfolgen denselben Ansatz: Bären aus schlechter, nicht-artgerechter Haltung in eine natürliche Umgebung zu bringen, wo sie ihre tierischen Instinkte wiederentdecken können. Die Besucher dürfen sich relativ frei auf dem riesigen Gelände bewegen – und die Bären ebenfalls, natürlich in sehr großen Gehegen, die lange Wanderungen in verschiedenartigen Umgebungen ermöglichen. Eine tolle Initiative, um Wildtiere aus Zoos und privater Haltung in die „Natur“ zurückzubringen.



Gut Herbigshagen
Last but not least: das Gut Herbigshagen der Sielmannstiftung in der Nähe von Duderstadt. Wenigstens die etwas Älteren werden die Naturfilme von Heinz Sielmann noch aus dem Fernsehen kennen. Seine Filme drehten sich (im wahrsten Sinne des Wortes) vor allem um Natur- und Artenschutz, um das Wunder der Natur, auch und gerade weil es die „Natur“ gar nicht mehr so häufig gibt. Die Zentrale der Stiftung befindet sich auf Gut Herbigshagen bei Duderstadt. Der Gutshof beherbergt eine kleine Ausstellung, eine Öko-Schulbauernhof, Seminarräume und nicht zuletzt ein Café für den hungrigen Besucher. Ihr solltet nicht die Serengeti à la auf dem Eichsfeld erwarten – hier ist nicht der Geist von Grzimek zuhause. Der Bauernhof hat keine exotischen Tiere, sondern dort leben ausschließlich alte Haustierrassen. Mit einem guten Kaffee und leckeren Kuchen im Bauch ging es weiter – wiewohl das gesamte Gelände schon seit geraumer Zeit wegen Corona geschlossen ist.
Nach einigen Tagen hieß es: Weiterfahren. Von Thalwenden ging es im Kurvengeschlängel des Harzes langsam nach Goslar. Eigentlich hätte der Brocken auf unserem Programm gestanden, aber kurz nach dem Einpacken unserer Utensilien auf dem Campingplatz begann ein tagelanger Dauerregen – mal mehr, mal weniger, aber gefühlt fast durchgehend. So haben wir auf der Fahrt nach Goslar nur für zwei Exkursionen angehalten: Ring der Erinnerung beim Örtchen Sorge und Kloster Walkenried.
Ring der Erinnerung
Der „Ring der Erinnerung“ findet seit Jahren ein geteiltes Echo: die einen finden es nichtssagend, die anderen interpretieren jede Menge Tiefgründiges hinein. Aber zunächst die Erklärung: In Anlehnung an der überlieferten Hexenkreise im Harz hat der Künstler Hermann Prigann 1993 einen kreisförmigen Wall aus aufgeschichteten Totholzstämmen erschaffen.
Der Ring mit einem Durchmesser von 70 Metern liegt direkt auf dem ehemaligen Todesstreifen, die frühere Grenze führt mitten hindurch. Im Inneren des Kreises ragen fünf Säulen des alten Grenzzaunes mahnend aus dem Boden hervor. Über die Jahre fällt das Totholz zusammen und verrottet. Doch gleichzeitig entsteht neues Leben: Aus dem scheinbar toten Material sprießen neue Triebe hervor und erfüllen den Ring mit frischem Grün. Vergangenheit und Zukunft, Werden und Vergehen – ein Kreislauf, der auch symbolisiert, wie unerbittlich und gleichzeitig vergänglich Grenzen sind. Ich muss sagen, auch schon beim ersten Mal war ich nicht über alle Maßen beeindruckt, aber wie vielfach positiv gelobt wird: es stehen Bänke zum Pausieren und Hinsetzen – das ist in jedem Fall eine gute Nachricht.
Da wir auf unserer Wanderung vom Parkplatz in Sorge hübsch durchnässt worden waren, blieb bei uns die Begeisterung über dieses Naturdenkmal auch in überschaubaren Grenzen. Schön ist der Spaziergang über den alten Grenzverlauf allemal. Inzwischen ist der Grenzturm auch saniert und steht uneingehüllt in der Landschaft. In Sorge gibt es noch ein kleines Grenzmuseum, welches eher zu den „gut gemeinten“ Ausstellungen gehört.


Kloster Walkenried
Ziemlich durchnässt ging es zum ehemaligen geistlichen Zentrum des Harzes, zum Zisterzienserkloster Walkenried im gleichnamigen Städtchen. Die Geschichte des Klosters reicht bis 900 Jahre zurück. Im Hochmittelalter begann das wirtschaftlich (und spirituell) so erfolgreiche Klosterleben mit der Stiftung des dritten Zisterzienserklosters durch Adelheid von Walkenried. Die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klosterbrüder lagen im Montanwesen – das Bergwerk Rammelsberg in Goslar – und in der Landwirtschaft auf ausgedehnten Ländereien, die bis nach Bayern reichten.
Das Museum ist seit einiger Zeit wegen der Corona-Beschränkungen geschlossen; vermutlicher Wiedereröffnungstermin im Frühjahr 2021 – in jedem Fall sehenswert, da auch die sanierten Bereiche des Klosters besichtigt werden können.




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