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16. Tag der Grünen Band Tour: Die Elbe war ihr Wegweiser…

 Highlights:

  • Arendsee
  • Wüstung Stresow
  • Schnackenburg
  • Elberadweg

Die kleine Ferienvilla auf dem Haselnusshof ließ keine Wünsche offen, zumindest wenn es in der Nacht nicht kälter als 5° kalt wird. Nach dem Frühstück verließen wir Traudi und Jürgen gut gestärkt und machten uns auf den Weg zur Elbe – vielen Dank für die herzliche Gastfreundschaft!

Arendsee

Nach nur einer kurzen Strecke kamen wir an den Arendsee. Der lockte zwar zum Schwimmen, aber die Vernunft siegte, da ein „garstiger Wind“ (so meiner Schwiegermutters Bezeichnung für kühlen und böigen Wind) wehte, der einem die Haut nach dem Schwimmen weggeschmirgelt hätte. Der See liegt sehr idyllisch in der topfebenen Wald-Landschaft: ein altes Kloster mit Heimatmuseum und ein großzügiges Strandbad finden sich unmittelbar am Rad- und Fußweg um den See. Und weil die Sonne so schön schien, machten wir einen kurzen Stopp für einen leckeren Milchkaffee im gemütlichen Städtchen Arendsee.

Arendsee Radtour Grünes band
Rast am Arendsee
Arendsee Grünes Band
Barbara – spingt sie gleich in den Arendsee?
Arendsee Grünes Band Tolles Panorama
Traumhaft schöner See in ruhiger Morgenstimmung
Arendsee Grünes Band Kloster und Heimatmuseum
Das alte Kloster am Arendsee – heute Heimatmuseum

Hinter Arendsee und Ziemendorf führt das Grüne Band lange durch „Plantagen-Wälder“, schön zum Fahren, hässlich zum Anschauen, ökologisch ein Desaster. Dann wechseln sich wieder Mischwald und Landwirtschaft ab. In Ziemendorf fand am 1. Sept-Wochenende ein „Grenzgänger-Treffen“ statt, also Menschen, die das Grüne Band entlang gewandert oder gefahren sind. Was eignet sich besser als eine ehemalige NVA-Kaserne, die mittlerweile zu einem Ferien-und Pferdeparadies geworden ist. Hier findet ihr ein paar Fotos vom Septembertreffen – vielen Dank Ralph Georgi!

Grünes Band Plantagenwald bei Ziemendorf
Plantagenwald – kurz vor Ziemendorf
Grünes Band Ziemendorf
Kunst – ehemalige NVA-Kaserne, heute Pferde- und Ferienhof
Grünes Band auf dem Weg nach Schnackenburg
Immer geradeaus: der Weg führt nach Schnackenburg
Grünes Band Barbara beim Äpfel essen
Wiederholt sich hier die alttestamentarische Geschichte: Barbara beim Apfel essen (von einem Wegesbaum gepflückt allerdings)

Wüstung Stresow und Aktion Ungeziefer

Es ging topfeben immer weiter nach Schnackenburg, einem kleinen Örtchen an der Elbe. Kurz bevor sich die Landschaft gänzlich verändert und die Weite des Elbe-Flusstals die Oberhand gewinnt, passiert man das geschleifte Dörfchen Stresow. Zu DDR-Zeiten waren die Stresower von der „Aktion Ungeziefer“ betroffen, da das Dorf unmittelbar an der innerdeutschen Grenze lag und umgesiedelt werden sollten. Die Bewohner wurden im Mai 1952 von der Armee nachts überrumpelt und mit 45 Güter- und Personenwagons nach Kölleda abtransportiert. Im Juni 1974 wurde das Dorf vollends geschleift. In diesem Zusammenhang habe ich zum ersten Mal den Begriff „Wüstung“ gehört, der beschreibt, dass ein Dorf, Weiler oder Städtchen zu existieren aufhört, sei es durch Krieg, Vertreibung oder Naturkatastrophen. Unmittelbar am Radweg gibt es eine kleine, berührende Gedenkstätte, die an den Ort und seine Bewohner erinnert.

Grünes Band Wüstung Stresow
Was von Stresow übrig blieb: Mahnmal gegen die Zwangsumsiedelung aus den Grenzgebieten
Wüstung Stresow Grünes Band Mahnmal
Barbara und Erika beim Austausch über die Fahrtstrecke
Wüstung Stresow Grünes Band
Erika war auf dem Weg nach Dresden
Mahnmal Wüstung Stresow Grünes band
Mahnmal gegen die Zwangsumsiedlung aus den Grenzgebieten
Mahnmal Wüstung Stresow Grünes Band
Teile der alten Grenzanlagen in Stresow
Mahnmal Wüstung Stresow Grünes band Zwangsumsiedlung
Eine kleine, aber sehr beeindruckende Gedenkstätte als Erinnerung an die Zwangsumsiedlung aus den Grenzgebieten

Es gab zwei Wellen solcher Zwangsumsiedelungen: 1952 wurde sie „Aktion Ungeziefer“ und 1961 „Aktion Kornblume“ genannt – interessant der sprachliche Gegensatz, der im Ergebnis allerdings auf dasselbe hinauslief. Insgesamt mussten ca. 12.000 Bürger ihre Dörfer entlang der Zonengrenze verlassen, weil sie im direkten Grenzgebiet lagen. Darüber hinaus waren viele Menschen in irgendeiner Weise als unzuverlässig eingestuft worden. Nicht alle ließen das mit sich geschehen. In den Ortschaften Billmuthhausen und Böseckendorf in Thüringen sind viele Familien in einer aufsehenerregenden Nacht-und-Nebel-Aktion ohne großes Gepäck in den Westen geflohen. Bis heute haben die Vertriebenen und Umgesiedelten keine materielle Entschädigung erhalten und es sieht leider so aus, dass das – aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen – auch so bleiben wird.

Nach Stresow ging es auf einmal schnell: nur noch vereinzelte Bäume, hier und da Sträucher, Büsche und ganz viele Wiesen, die bei Hochwasser überflutet werden. Darüber wölbt sich ein weiter Himmel, der heute besonders schön mit den kleinen, weißen Wölkchen aussah. Wir hatten ein wenig das Gefühl vom Western Open Range mit Kevin Costner: unsichtbarer Horizont, weites Land mit Schwarzbuntem Rindvieh (kein Texas Longhorn wie im Film…). Und dann kamen wir auf einmal auf den Damm und fuhren immer weiter…

Outpost of the free World: Schnackenburg

Zumindest bis Schnackenburg an der Elbe. Das Städtchen war der Vorposten des freien Westens vor dem Eisernen Vorhangs, denn die Elbe war ein geteilter Fluss und auf der anderen Seite war bereits Brandenburg. Ich möchte nicht in Schnackenburg gewohnt haben, denn dort war das Ende der Welt – wenigstens gefühlt. Heute ist zwar nicht das Ende der Welt, aber bis auf einen kleinen Imbiss und das Grenzmuseum ist dort ebenfalls nichts los. „Nichts“ stimmt nicht ganz: Landschaft und Natur liegen einem direkt vor der Nase, z.B. Ornithologen kommen  hier auf ihre Kosten. Wir haben den Aussichtsturm zwischen Elbe und Hafen erklommen, von dem wir einem großartigen Blick über die weite Elblandschaft hatten, wirklich beeindruckend. Das Städtchen erschien aus dieser Perspektive wie ein Diorama einer Modelleisenbahn-Landschaft – mit besonders detailverliebten Einzelheiten wie der plastischen Flussgestaltung einschließlich einer kleinen Fähre.

Panoramablick Grünes Band Elbe Schnackenburg
Panoramablick vom Aussichtsturm bei Schnackenburg
Grünes Band Hafen Schnackenburg und Aussichtsturm
Zwei Fahrräder im Schnackenburger Hafen
Aussichtsturm Schnackenburg toller Blick
Toller 360°-Blick vom Aussichtsturm am Schnackenburger Hafen
Grünes Band Elberadweg Fähre Schnackenburg
Fähre Schnackenburg und das obligatorische Schild, dass alles gut wird…

Über die würden wir auch gleich fahren, denn der Elberadweg geht nun auf der brandenburgischen Uferseite weiter. Mal näher, mal weiter vom Fluss entfernt radelt man gemächlich auf dem Deichradweg, hinter dem sich das weite Überschwemmungsgebiet ausdehnt. Wenn man sich vorstellt, dass dieses ganze Gebiet überflutet würde, gruselig, aber wegen des Hochwassersschutzes sehr sinnvoll. Auch die Hamburger werden froh sein, wenn sich das Hochwasser in dem Auengebiet breitmachen kann und nicht mit ganzer Kraft nach St. Pauli reinschwappt. Immer wieder kreisen sehr große Greifvögel über uns – ohne dass wir sagen könnten, ob es Seeadler wären. Bei einer Sorte sind wir uns allerdings einig: es sind Milane, deren charakteristische Silhouette kennen selbst wir Städter.

Elberadweg – Es geht zu wie auf der Berliner Stadtautobahn A100

Zwischendurch ist es wie auf der Berliner Stadtautobahn, wir überholen Radfahrer, wir werden überholt und immer wieder kommen uns einzelne Radler oder größere Gruppen auf Rädern entgegen. Häufiger hören wir das Ziel: Dresden oder Prag. Nicht ohne Grund ist der Elbe-Radweg einer der beliebtesten Radstrecken nicht nur in Deutschland, sondern im europäischen Ausland. heute hatten wir allerdings noch besonderes Glück: wir hatten mehr oder weniger Rückenwind, was ungewöhnlich ist, denn meistens bläst der Wind hier aus nord-westlicher Richtung, demnach für den nach Norden fahrenden Radtouristen als Gegenwind spürbar.

Charon Fährmann am Elbedeich
Charon: Der Ewige Fährmann – der Künstler Bernd Streiter wohnt ganz in der Nähe
Grünes Band Elberadweg
Endlos: Elberadweg
Elberadweg Café
Elbeglück – so heißt das einladende Café am Elberadweg in Mödlich – und du bist sofort glücklich

Gut schlafen in Lenzerwische: Landhaus Elbeflair

Und noch ein, zwei Kurven und sind wir nach einer gemächlichen Trödel- und Gucketappe am Landhaus Elbeflair in Lenzerwische angelangt. Der Gasthof liegt direkt am Elberadweg und bietet schöne, ruhige  Zimmer. Hausgäste haben die Möglichkeit zum Abendessen und morgens wird ein liebevoll angerichtetes Frühstück serviert. Wer mehr wissen will, bitte hier schauen.

Trotz des langen Tages hatten wir noch nicht genug und sind zum Abendessen ein paar weitere  Kilometer zum „Alten Hof am Deich“ gefahren. Die werben mit dem Slogan: „Regionale Küche im Rhythmus der Jahreszeiten“ – was die gute und überschaubare Speisekarte z.B. mit „Ayurveda trifft …Kartoffeln gesund und rund“ oder „Kräuterhexe aus dem Ofenloch“ (hier muss man kritisch nachfragen, ob das sprachpolizeilich noch in Ordnung ist…) treffend beschreibt. Ein gelungener Abend, der mit einer Rückfahrt im Stockdusteren mit nur einem Vorderlicht zwar abenteuerlich, aber ohne Blessuren endete.

 

Veröffentlicht in Allgemein

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