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2. Tag der Grünen Band Tour: Das Bauhaus in Thüringen

Highlights:

  • Grenzdörfer Nordhalben und Titschendorf
  • Gedenkstätte KZ Laura
  • Technisches Denkmal Schieferabbau Lehesten
  • Bauhaus Hotel Probstzella
  • Burg Lauenstein

Vielleicht ist der erste Tag einer solchen Tour nicht der schwerste, aber ich war sehr froh im gemütlich-altmodischem Bad Steben in einem ebensolchen Hotel freundlichst empfangen worden zu sein. Und nicht minder: heute früh ausgeschlafen und ohne großen Muskelkater aufgewacht zu sein. Wahrscheinlich war der Besuch der tollen Therme in Bad Steben am Vorabend an meinem Wohlbefinden beteiligt.

Viele Höhenmeter

Dieser Tag sollte sich zu einer ziemlich „welligen“ Etappe mit einigen Extra-Höhenmetern entwickeln, um bis Probstzella – zurück in Thüringen – zu gelangen. Es war erneut recht einsam und in den Dörfern schienen nur wenige Menschen zu wohnen, denn ich habe selten Fußgänger oder anderes Leben gesehen. Landschaftlich war es einfach schön, beschwingt zu fahren und es gab viel zu schauen. Mein erstes Zwischenziel war der Schwarze Teich. Ein kleiner See mit großer Vergangenheit, denn früher wurden hier Bäume geflößt. Die Methode, die Bäume aus dem See weiter nach unten zur Rodach zu bekommen, hat etwas Spezielles. Zwei nah beieinander liegende Teiche mussten zuvor aufgestaut werden, um genügend Wasser zum Flößen zu haben – richtig genial. Und immer noch sehr verwunschen.

Grünes Band Radtour Schwarzer Teich
Ein verwunschener Ort: Der Schwarze Teich
Grünes Band Radtour
Die modernen Flößer – gesehen bei Nordhalben

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo … in Nordhalben

Anschließend ging es über eine lange Waldstrecke runter nach Nordhalben, auch bekannt aus dem Song „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“. Ich wollte mir hier den südlichsten Zipfel von Thüringen anschauen – auf der eine Seite liegt das bayerische Dörfchen Nordhalben und unmittelbar gegenüber der Weiler Titschendorf, der bereits im Sperrgebiet der DDR-Grenze lag. Alle Anwohner und Besucher mussten sich ständig ausweisen. Die Anwohner hatten sogar einen besonderen Vermerk im Ausweis, dass sie dort wohnten. Besucher wiederum konnten nur mit einer Sondergenehmigung nach Titschendorf. Darüber hinaus war eine nächtliche Ausgangssperre verfügt, die um 23 Uhr in Kraft trat. Obwohl ich glaube, dass auch ohne diese Schikane das Nachtleben in Titschendorf sehr überschaubar war.

Grünes Band Radtour
Blick von der „DDR-Seite“ auf Nordhalben
Grünes Band Radtour
Falls ihr es vergessen habt: 30 Jahre Grünes Band (hier Kolonnenweg bei Titschendorf)
Grünes Band - Nordhalben
Bitte alle aussteigen – der Zug endet hier

Heute hat mich die Komoot App ganz schön an der Nase herumgeführt: Titschendorf und Nordhalben liegen „richtig herum“ an meiner Route, also erst T und dann N. Die App hat mich allerdings erst mal nach N geführt, wobei N auf einer steilen Anhöhe liegt, um mich über einen halsbrecherischen Singletrail umständlich nach T zurück zu navigieren.

Von T ging es erneut nach N (man erinnere sich: steiler Anstieg) und aber schließlich fand ich den Weg nach Lehesten.

Gedenkstätte KZ Laura (im Fröhlichen Tale)

Der Thüringer Wald ist u.a. für seine jahrhundertealte Tradition des Schieferabbaus bekannt. Darum nimmt man auch heute noch gerne Schieferschindeln zum Dachdecken in den Dörfern. In Lehesten liegen nicht nur alte, sondern auch noch aktive Schieferbrüche.

Grünes Band - Schiefersteinbruch
Schieferabbau beim ehemaligen KZ Laura

Die dunkle Geschichte des deutschen Faschismus spielte in Lehesten eine schlimme Rolle, da es ein KZ-Außenlager mit dem schönen Namen „Laura“ gab (die Postadresse lautete schon damals „ Im fröhlichen Tale“ – Zynismus pur!). Die KZ-Häftlinge mussten im Steinbruch unter mörderischen Bedingungen arbeiten – und die Lebensverhältnisse im KZ selbst waren nicht besser. Das Lager bestand nur ca. 1 ½ Jahre, vom Spätsommer 1943 bis zur Befreiung im April 1945. Es war für jeweils 500 bis 600 Häftlinge ausgelegt; in dieser Zeit starben – eine genaue Übersicht gibt es nicht – vermutlich über 600 Häftlinge an den Folgen der brutalen Lagerhaft und den schlimmen Arbeitsbedingungen. Trotzdem war es nach Zeugenaussagen ein Lager mit höheren Überlebenschancen als im Buchenwalder Hauptlager.

Grünes Band - KZ Laura
Gedenkstätte KZ Laura

Im Steinbruch wird heute immer noch Schiefer abgebaut, allerdings auf Sparflamme. Nur unweit davon entfernt liegt das „Technische Denkmal Historischer Schieferabbau“. Das alleine wäre für einen Tagesausflug geeignet, passte aus zeitlichen Gründen nicht in meine Reiseplanung.

Probstzella: Ein Bauhaus-Denkmal in Thüringen

Von den Höhen des Thüringer Waldes ging es dann runter an die Ufer des Flüßchen Loquitz, ins Städtchen Probstzella. Wie so viele dieser kleineren Gemeinden hatte auch Probstzella eine Industriegeschichte, die nach 1945 ins Stocken geriet, weil entweder das Industriegerät als Reparationsleistung in die Sowjetunion ging oder die örtlichen Unternehmer in die amerikanische Besatzungszone abwanderten. Mich hatte vor allem das Bauhaus-Hotel hierher gelockt, denn dieses Gebäude ist ein sorgsam restauriertes Ensemble, welches in den 1920er Jahren vom bekannten Bauhaus-Architekten Arndt geschaffen worden war.

Arndt hatte dieses Gebäude für den Industriellen Franz Itting entworfen und persönlich die Bauphase überwacht. Itting war ein „progressiver Kapitalist“ mit sozialdemokratischem Parteibuch. Er verdiente sein Geld u.a. mit der Stromerzeugung. Sein wirtschaftliches Handeln verband er mit hohem sozialen Anspruch, um seine Arbeiter zumindest mittelbar am Gewinn partizipieren zu lassen. In dieser Tradition ist dann auch das „Haus des Volkes“ entstanden. Es sollte einerseits ein Magnet für den entstehenden Tourismus werden und gleichzeitig war es für die Gemeinde Probstzella ein bedeutender kultureller Ankerpunkt. Große Säle mit der für das Bauhaus typischen, klassischen Gestaltung dienten für Theater-und Kinoaufführungen sowie private Feiern. Der Architekt Arndt war in Dessau in Farbenlehre ausgebildet. Man merkt das sofort im Inneren des Gebäudes wie auch bei der Fassadengestaltung. Der Park zum Flanieren und das gesamte Gebäude sind im Stil der klassischen Moderne des Bauhaus entworfen und gebaut. Auf historischen Bildern ragt dieses Gebäude über alle anderen in Probstzella – monumental, aber als „Haus des Volkes“ für alle im Städtchen da. Das ist heute noch (vermutlich: wieder) der Fall, weil Probstzella ohne dieses bedeutende Kulturdenkmal in Vergessenheit geraten wäre. Dieter Nagel hat das Haus Anfang der 2000er Jahre von der Treuhand erworben und seine ursprüngliche Verwendung wieder aufleben lassen: Hotel und Veranstaltungsort. Dabei wurde energisch (was das Geld angeht) und behutsam (was die Gestaltung anbelangt) das Haus in seine frühere Gestalt gebracht und Bausünden der DDR-Zeit weitgehend zurückgebaut. Bitte den ausführlichen Bericht zum Hotel hier  lesen.

Grünes Band Bauhaus I
Das Bauhaus-Hotel in Probstzella
Bauhaus Hotel Grünes Band
Auch moderne Klassik im Restaurant
Grünes Band Bauhaus Hotel
Treppenaufgang im Bauhaus-Hotel

Ich habe dort eine Nacht verbracht und im Geiste von Gropius und Mies van der Rohe sehr gut geschlafen, lecker gegessen und ein interessantes Gespräch mit Herrn Nagel gehabt (vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch!). Herr Nagel ist nur im Zweitberuf Hotelier und Denkmalbesitzer, dennoch stecken hier viel Zeit, Leidenschaft und Ausdauer in der Sanierung des Gebäudes. Das Hotel mit seinen freundlichen Mitarbeiterinnen entspricht keinem 5-Sterne-Standard, es ist kein Adlon in der thüringischen Provinz. Es ist ein lebendiges Kulturdenkmal, was ans Bauhaus und den besonderen Menschen Franz Itting erinnert. Sehr zu empfehlen ist das kleine Museum, welches durch das Leben von Itting führt.

Grünes Band Herr Nagel
Dieter Nagel – Chef vom Bauhaus Hotel – am Parkkiosk

Der Ausflug zur Burg Lauenstein

Am Nachmittag hatte es mich gefuchst, dass die Komoot App mich galant an der Burg Lauenstein vorbei gelotst hatte. Ich kam von der südlichen Seite nach Probstzella und hätte damit ca. 5 Km zurückfahren müssen. Da Burgen gemeinhin auf einem Berg liegen, freute ich mich am frühen Abend auf eine Genusstour ohne Gepäck, um die Burg zu erkunden.

Grünes Band Radtour Probstzella
Bahnhof Probstzella
Grünes Band Burg Lauenstein
Auf dem Weg nach Burg Lauenstein

Aus dem Städtchen heraus führt die relativ kurze Fahrt über eine Bundesstraße, doch die letzten 850 m im Örtchen Lauenstein sind knackig, weil es sehr steil bergauf geht. Kurzer Abschweif und Erklärung, warum ich den nichtssagenden Bahnhof abgelichtet habe. Probstzella war mir aus Studententagen noch vage ein Begriff, so gänzlich habe ich mich erst in Probstzella wieder erinnern können. Hier war die Grenzstation, wenn man von Berlin mit dem Zug Richtung Süden fuhr. Die DDR-Grenzer stiegen ein, kontrollierten alle Reisenden mit versteinertem Gesicht und hauten zur Weiterreise irgendwann gnädigerweise ihren Stempel in den Reisepass. Gleichzeitig wurde der Zug nach Flüchtlingen gefilzt. Dabei stand er auf einem streng bewachten Extra-Gleis, wo selbst ein Mäuschen es schwer gehabt hätte, unbemerkt in den Zug zu gelangen. Im Bahnhof ist heute eines der vielen Grenzmuseen untergebracht, das leider nur sehr sporadisch geöffnet hat – an diesem Tag eben nicht.

Zurück zur Burg Lauenstein: Die Mühe des Anstiegs lohnt sich in jedem Fall, denn die Burg ist schön, vielleicht auch, weil sie nur wenig Bezug zur ursprünglichen Form hat. Der Bau wurde bereits im 12. Jahrhundert begonnen und in den kommenden Jahrhunderten weiter ausgebaut und verstärkt. Es gab zig Besitzerwechsel, durch Heirat, Ländertausch, Ergebnisse von kriegerischen Auseinandersetzungen, doch den 30-jährigen Krieg oder Napoleons Feldzüge hatte sie gut überstanden. Nachdem sie um 1850 in private Hände kam, fiel sie in einen Dornröschenschlaf und verfiel gleichermaßen, bis ein vermögender Privatmann die Burg Ende des 19. Jahrhunderts kaufte und sie im historisierenden Stil restaurierte. Sie war dann eine Zeitlang Treffpunkt für illustre Gäste – heute würde man Celebrities dazu sagen. Inzwischen hat der Freistaat Bayern die Burg erworben und viel Geld für eine endgültige Sanierung reingesteckt. Sehr hübsch!

Grünes Band Burg Lauenstein
Burg Lauenstein (am Grünen Band)

Zum Abschluss noch (fast) ein XXL-Windbeutel

Noch hübscher war der Tages-Abschluss im Café Bauer. Die rühmen sich, die besten Windbeutel ever auf den Tisch zu bringen – das aufgeplusterte Gepäckstück schmeckte wirklich lecker und ich war froh, dass ich mich nicht zur XXL-Version hatte überreden lassen.

Grünes band - Windbeutel
Der XXL-Windbeutel vom Café Bauer auf der Lauenstein hätte mir den Rest gegeben (hier nur die normale Ausführung)

 

Veröffentlicht in Allgemein

2 Kommentare

  1. Rainer Schulze Rainer Schulze

    Sehr schön geschrieben und viel recherchiert, denn ich nehme an, dass du das nicht alles vorher schon wusstest.

    Und Hut ab: solch relativ lange Texte noch nach einer Tagesetappe zu schreiben. Ich freue mich auf die nächsten Berichte

    Gruß … Rainer

    PS: die Sache mit dem „unfallfrei, nicht ganz“ – gibt es dazu noch eine Erklärung?

    • Stefan Reeg Stefan Reeg

      Dazu gibt es eine Rückblende, vermutlich schon heute, denn die Folgen des Unfalls beschäftigen mich noch beim täglichen Verbandswechsel sowie in der Nacht, weil ich nur auf einer Seite schlafen kann.

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