Highlights:
- Dreiländereck
- Mödlareuth
- Burgruine Blankenberg
- Skywalk Pottiga
- Höllental
Heute war es nun soweit: meine Radtour startete am Dreiländereck, wo Tschechien, Sachsen und Bayern aufeinander treffen. Eine Stelle, die eher symbolischen Charakter hat, als dass sie landschaftlich besonders hervorstechen würde.




An der ehemaligen „Zonengrenze“ geht es in Deutschland nicht weiter südlich. Damit ist auch der Einstieg ins Grüne Band erreicht. Nach einer klaren und recht frischen Nacht zeigte sich der Tag schnell von seiner besten Seite, es wurde sonnig und sehr warm.
Meine Frau begleitete mich zu diesem historischen Ort – wir machten noch ein paar Bilder und ein kleines Video – und schon hielt mich nichts mehr zurück. Die Packtaschen ans Fahrrad, alles nochmals überprüft und dann gemächlich in die Pedale getreten. Die Etappe bis Bad Steben war überschaubar und führte mich zunächst durch eine Vielzahl von kleinen Örtchen – hier passt der Begriff Weiler ganz gut – bis ich nach einiger Zeit in Gutenfürst ankam.

Bahnhof Gutenfürst
Das Städtchen selbst ist kein touristisches Highlight. Es hatte zu DDR-Zeiten eine große Bedeutung, weil es ein gut bewachter Grenzbahnhof war. Damals ging ein großer Teil des Güterverkehrs von und nach West-Berlin über diese Strecke bzw. diesen Bahnhof. Heute ist seine Bedeutung praktisch Null, da hier nur lokale Regionalzüge halten und auch die paranoid-hochgerüstete DDR-Vergangenheit nicht mehr zu sehen ist.

Also weiter in Richtung Nord-Westen nach Klein-Berlin, ähm nach Mödlareuth. Vorher traf ich noch zwei rüstige Rentner – Hildegard und Heinz – aus einem Vorort von Dresden. Die beiden waren auf einer 26-tägigen Wanderung von Eisenach bis Zittau. Heute war ihr 10. Tag. Wow, ein interessantes Gespräch über die Herausforderungen des Wanderns aus früheren Zeiten im Vergleich zu heute: Möglichkeiten, Rucksäcke, Unterkünfte und die leidige Frage nach vernünftigen Karten – letzteres hatten sie besonders vermisst, wobei das Wandern an der Grenze sowieso einem Republikfluchtversuch gleichgekommen wäre. Hildegard und Heinz passten hundertprozentig auf das Bild der wanderlustigen Sachsen und waren zwar interessiert an meiner Tour, wollten jedoch nichts auf das Wandern als solches kommen lassen – Hals- und Beinbruch in jedem Fall.

Kolonnenweg, Panzerstraße, Plattenweg…
Und hier begann auch mein erstes Kolonnenweg-Abenteuer, denn ich entschied mich gegen die Landstraße und bog auf den berüchtigten Plattenweg ein. Dieser hat es in sich, denn egal wo und wie man fährt, die Löcher für die Transport- und Verlegeeinrichtung sind IMMER im Weg. Die Platten haben eine Größe von ca. 0,6 m auf knapp 2 m – an einer Schmalseite sind zwei Löcher und an der gegenüber liegenden Seite mittig ein Loch. Somit kann man weder außen noch innen fahren, weil man IMMER (siehe oben) in eine dieser Ausbuchtungen gerät. Ich habe im Laufe der Tour auch noch die beiden anderen Platten-Typen kennengelernt. Sie sind nicht besser als die auf dem Weg nach Mödlareuth.

Mödlareuth – das „Klein-Berlin“ von Bayern und Thüringen
Bis Mödlareuth hat es dennoch funktioniert. Allerdings war ich froh, als ich die alten Grenzanlagen erreicht hatte. Mödlareuth hieß nicht ohne Grund „Klein-Berlin“, weil mitten durch den kleinen Ort die Grenze und später die Mauer verlief. Hier in einer bäuerlichen Idylle, wo noch stärker Familien und enge Freundschaften getrennt wurden, muss das völlig absurd und traumatisch gewesen sein. Heute wird dieser verschlafene Ort durch Touristenströme tagsüber für ein paar Stunden aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Die Vergangenheit verwandelt sich in klingende Münze, weniger durch den kleinen Eurobetrag fürs Museum als eher durch eine der raren Wirtsstuben in dieser Gegend. Für mich war es nach der Besichtigung der Außenanlage getan, da unsere Familienministerin an einer Diskussionsveranstaltung „Demokratie er-leben“ teilnahm und ich mich nicht unter die geladenen Gäste mischen durfte. Der gesamte Ort war zur Untätigkeit verdammt – wegen des großen Polizeiaufgebots zur Absicherung des hohen Besuchs aus Berlin.



Das Ende der thüringischen Lederindustrie
Ein relativ schönes Örtchen mit langjähriger Industrie-Vergangenheit ist Hirschberg, das ehemalige Zentrum der Lederindustrie, das mit dem Ende der DDR abgewickelt wurde. Heute zeugt nur noch das Ledermuseum von dieser Vergangenheit, deren Ursprung bis ins Jahr 1741 zurückreicht. Während der Hochzeit der Lederproduktion beschäftigte die Fabrik über 1.600 Arbeiter. Da das Werk unmittelbar an der Grenze lag, wurde es zum Westen gefängnisartig abgesichert. Bis Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts erfolgte dann der Abriss des Werkes. Das Museum mit drei steinernen Arbeitern auf dem Vorplatz ist der traurige Rest.


Die nächsten Kilometer waren sehr angenehm – entlang der Saale und des Saalbaches. Ich habe die sommerliche Stille dieser pittoresken Flusslandschaft genossen und bekam immer wieder diesen auffällig süßlichen Geruch der Verwesung in die Nase. Er stammt vom Drüsigen Springkraut, welches in Europa vielfach als invasiver Neophyt angesehen wird, da es heimische Pflanzen verdrängt. Es wächst gerne entlang von Bächen und Gewässern.



Pottiga: Kanu-Einsetzstelle und Skywalk
Meine Fahrt führte weiter, hoch und runter, erst zur Saale, dann zur Selbitz. Beides sind schöne Flüsschen, die sich durch die Landschaft schlängeln und für Wasserwanderer auf dem „Blauen Band“ eine hohe Attraktivität ausüben.

Zwischen Rudolphstein und Blankenberg findet man noch einen besonderen Aussichtspunkt hoch über dem Saale-Tal. Der Weg zum Skywalk Pottiga ist mit einem wadenkräftigenden Anstieg verbunden. Hat man das geschafft, kann man unter einem überdachten Picknick-Platz rasten und den Ausguck hoch über der Saale erklimmen. Der Skywalk ist eine Treppe, die (beinahe) im Nichts endet, dafür jedoch einen fantastischen Rundblick bietet.


Kurz vorm Höllental traf ich Evelyn. Sie ist eine Wanderführerin aus dem nahen Hof, die auf einen Gast wartete. Mit ihm wollte sie das Höllental durchwandern. Sie berichtete von Plänen der Bahn, alte Trassen wieder zu reaktivieren und war ein wenig über die vermutlich steigende Gästezahl besorgt, weil es doch so schön ruhig sein… So kann man das auch sehen, aber Recht hatte sie: es ist dort wirklich sehr ruhig und manchmal begegnet man lange Zeit keinem Menschen.
„Das ist Wahnsinn…“
Am Ende des Höllentals liegt Hölle, der Geburtsort des Ohrwurms „Wahnsinn“ von Wolfgang Petry. Jeden Sonntag müssen alle Höllentäler raus auf die Straße und mitsingen, vor allem den Refrain, der irgendwas mit „Hölle, Hölle, Hölle“ zu tun hat. Ihr könnt auf den YouTube-Link klicken und gleich mal üben.

Danach stellten mich für diesen Tag zwei fette Steigungen auf die Probe. Etwas aus der Puste erreichte ich schließlich am Spätnachmittag Bad Steben. Ein kleiner, altmodischer Kurort, immerhin mit einem Spielcasino und einem Bayerischen Staatsbad. Letzteres habe ich am Abend zur Entspannung aufgesucht und war über die Vielzahl an unterschiedlichen Saunen, der Gestaltung der gesamten Anlage und der Freundlichkeit der Mitarbeiter sehr angetan. So kann ruhig jeder Abend enden.

Danke für den interessanten Bericht ,ich musste 1979 in Gutenfürst an der Grenzen dienen !
Es war eine harte aber auch schöne Zeit ,ein paar Bilder von der Grenzkompanie hast du nicht auch zufällig ?
Danke im voraus
MfG M.Wittenberg
Danke für deinen Beitrag und Info – ich habe keine Bilder, vor allem weil ich aus dem Westen komme und so was nicht sammle. Aber es gibt sicher Menschen, die haben solche Erinnerungsstücke in ihrem Fotoalbum. Beste Grüße Stefan